3. Die Übersetzungsproblematik

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Im Folgenden werden Textstellen präsentiert, in denen die Zweisprachigkeit vorliegt.
 

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„Vielleicht, sagte Kathrin einmal, fiele es dir jetzt leichter, wenn du zehn Jahre früher hergekommen wärst […], wenn du in ein Gymnasium gegangen wärst statt drüben in eine high school, wenn du alte Schulfreundschaften hättest, mehr gemeinsame Erinnerungen.“1
 

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Es gibt noch weitere Wörter in beiden Romanen: z. B. subway, student pub, marshland, junk food, drink after dinner, blind date, muffin, drugstore, knishes. Sie gehören nicht zu Realien, denn sie haben jeweils ein zielsprachliches Äquivalent. Im Beispiel betont die Figur selbst die kulturelle Differenz, die aus dem Kontrast von high school und Gymnasium hervorgeht. Im Erzählvorgang werden diese Wörter in einem Kontext erzählt, wo Amerika den Hintergrund bildet. Die Erinnerungen im deutschen Lebensraum rufen die vergangenen Erlebnisse der Protagonistin in Amerika hervor. Die Verwendung dieser Wörter und deren Nicht-Übersetzung ist vom Erzähler und von der Figur Kathrin bewusst. Das Andere, das Fremde kommt im Zusammenhang mit ihnen zum Ausdruck. Sie erwecken in der Figur die Erinnerung an die Ausgangskultur.
 

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„Lilian setzte sich abseits von den anderen Müttern auf eine leere Parkbank, die Gespräche strengten sie zu sehr an, es fehlten ihr die Wörter und die Sicherheit. Deutsch war für sie eine erwachsene Sprache, in der sie besser dachte als fühlte, es fiel ihr leichter, komplizierte Ideen in ihr auszudrücken als einfache alltägliche Erfahrungen mit einem Kind. Solange Claudine ihr gehörte, war sie glücklich. Sie fuhr mit ihr hinaus aufs Land […] und sie benannte unermüdlich alle Dinge mit den Worten ihrer Sprache, nahm sie in Besitz, als wären sie bisher namenlos gewesen […]. Look at the trees! See the birds? Die Dinge wurden wirklich, sie belebten sich, erhielten Farben, erschienen freundlich, lieblich oder bedrohlich, je nach Witterung und Stimmung, sie waren greifbar, fühlbar, reine Gegenwart. Unbändig war ihr Glück, wenn das Kind die Wörter nachsprach […]. Bird, sagte das Kind […], What’s that?, fragte das Kind […].“2
 

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In dieser Textstelle wird sehr anschaulich geschildert, wie die Sprache ein Grundstein der Kultur ist. Die Muttersprache der Hauptfigur ist Englisch; es verleiht ihr, der Mutter, die Vertrautheit, in der sie ihre Gefühle erlebt und diese ihrem Kind kommuniziert. Sprache ist so nicht nur ein Kommunikationsmittel, in dem man Informationen vermittelt, sondern die Sprache ist die Lebenswelt, die die Mutter und das Kind miteinander zusammenhält und ihre Beziehung glücklich macht. Sprache ist ein Teil der Identität und zugleich des Gedächtnisses. In diesem Gedächtnis liegen alle Erfahrungen und Erlebnisse der Protagonistin, die sie in ihrer Muttersprache erworben hat, derer sie mächtig ist, die ihr Sicherheit, Glück und Vielfalt bieten. Die Kommunikation mit dem eigenen Kind schenkt ihr großes Glück. Darin werden ihre Wurzeln und ihre Bindungen an die vorangegangenen Generationen lebendig, dadurch entwickelt sich ihre Identität. Die kursiven Stellen im Zitat drücken unmittelbar die subjektive Welt der Protagonistin aus; sie wurden nicht übersetzt, obwohl sie in die Zielsprache leicht übertragbar wären. Aber dann würde der kulturelle Hintergrund verlorengehen. Es ist sichtbar, dass für die Protagonistin in Österreich das Deutsche als Zielsprache nur beschränkt für die Kommunikation geeignet ist, sie verliert im Deutschen ihre Gefühle und die Sicherheit ihrer Persönlichkeit und all das führt zu einer Fremdheit.
 

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„Niki war ein zartes Kind, still und langsam in allem, was er lernen sollte, auch in der Sprache. […]
That’s a deer, erklärte sie und zeigte auf Bambi im Kinderbuch.
Das ist ein Reh, berichtigte Josef, es klang wie eine Drohung.
A deer, rief sie, that’s a deer!
Ein Reh, wiederholte Josef, zum letzten Mal und seine Stimme bebte vor Wut.
[…] Doch zwischen ihr und Niki blieb eine sprachlose Nähe, eine stumme Trauer über den Verlust des ersten Überflusses an Liebe und manchmal fragte er sie: Wie hast du mich genannt? Honeypie, sugarplum, sagte sie leise und die Erinnerung tat weh wie eine alte Narbe.“3
 

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Der Informationsverlust und die damit zusammenhängende Identitätsschwankung und ‑schwächung der Protagonistin führt zu einem Konflikt. Der Sprachenkonflikt, der aus dem Zwang der Erwartungen in Österreich und dem Widerstand Lilians diesen gegenüber hervorgeht, erschüttert Mutter und Kind gleichermaßen und führt zu einer Sprachkrise, bei der die Sprachlosigkeit, also die nonverbale Sprache die Verbindung zwischen ihnen bildet. In dieser Passage ist ein Erzähler vorhanden, der durch seine Erklärungen gewissermaßen als Vermittler fungiert: Er erzählt, was die zwei Figuren sagen, er versucht außen vor zu bleiben, indem er die Wörter des streitenden Ehepaars wortwörtlich, ohne Übersetzung zitiert. Er versucht durch die bewusste Nicht-Übersetzung unparteiisch zu bleiben, aber es gelingt letztlich nicht, weil die Traurigkeit, die diesem Streit zufolge das Leben von Mutter und Kind bestimmt, von ihm sehr authentisch wiedergegeben wird und ihn zur subjektiven Anteilnahme bewegt. Die Erinnerung an diesen Sprachkonflikt ist schmerzvoll, die fehlende Übersetzung lässt die Schärfe und die Tragik der Situation auf den Rezipienten wirken.
 

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„Schau nicht soviel zurück, bat Marlene, buck up, kiddo. Es waren oft nur Worte, eingestreute Phrasen, die Lilian wie Geschenke von Marlene empfing, dankbar und so gerührt: Du hast mir ein vergessenes Wort geschenkt. […] Manchmal, an einem Vormittag, wenn Marlene auf Besuch kam, wenn sie hereinstürmte, hi, what’s up, hatte Lilian das Gefühl, sie brächte alles mit, was sie vermißte, und es sei wie zu Hause. Du bist so amerikanisch, sagte sie dann zärtlich.“4
 

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In dieser Textstelle geht es um die Verbindung von Muttersprache und Erinnerung. Die Elaborierung von muttersprachlichen Erinnerungen im fremdsprachlichen Kontext vergegenwärtigt vergangenes Vertrautes, die durch das emotionelle Erleben wie „gerührt“ oder „zärtlich“ die Fremdheit der Protagonistin in der Gegenwart auszugleichen versuchen. Durch englische Alltagsphrasen macht der Erzähler einen Informationsgewinn transparent, so verleiht er dem bloßen Erzählen Expressivität, was dem Rezipienten den kulturellen Kontrast zwischen Gegenwart und Vergangenheit erlebbar macht.
 

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„Ihr ganzes erwachsenes Leben hatte Bessie ihre Herkunft zu vertuschen versucht. […] Am schwersten war der Anfang, erzählte sie, die fremde Sprache. […] Sie erzählte, wie sie die große Stadt geängstigt hatte, aber sie hätte die Angst überwunden, indem sie sie sich jeden Tag nach der Arbeit einen Häuserblock weiter vorgewagt hätte, einen Tag uptown, den nächsten downtown, bis sie das ganze Viertel kannte wie ihre Wohnung.“5
 

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In dieser Textstelle wird aus der Perspektive von Bessie erzählt: Sie war die Großmutter von Lilian, die nach Amerika ausgewandert ist. Entscheidend ist in dieser Perspektive die Fremdheit, die mit Angst verbunden ist. Die Aneignung der Fremdsprache (Englisch) vollzieht sich parallel zur Aneignung des fremden Raumes schrittweise – das zeigen die neuen zielsprachlichen Elemente, die sich mit der Muttersprache vermischen: „Wo in Amerika gab es die sinnliche Entsprechung für Bach, Dom und Gasse? Den leichten Salzgeruch von rain hatte die oft vermißt […], denn Regen war kalt, schwer und grau.“6 Hier geht es aus der Perspektive von Lilian wieder um den Kontrast von Muttersprache und Fremdsprache. Sprache ist für sie zugleich Kultur, die mit Erlebnissen und Gefühlen gefüllt ist. Der Begriff „sinnlich“ deutet auf die Wichtigkeit des Erlebens von Kultur hin; „leicht“ und „schwer“ verweisen auch auf die Gegensätze der zwei Kulturen.
 

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„Von einem Tag zum anderen hörte sie auf, deutsch zu sprechen. Sie lebte, auch wenn es nichts mehr gab, was sie auf englisch nicht hätte sagen können, in einer unerreichbaren Sprachlosigkeit. […] Good night, Mom, flüsterte er […] Night, night, sleep well, antwortete. Er sehnte sich danach, daß sie wie früher in seiner Kindheit sagen würde: Schlaf gut, mein Schatz.“7
 

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In dieser Textstelle im anderen Roman wird aus der Perspektive von Max der Sprachverlust geschildert. Der Übergang zur anderen Sprache, die beim Eintritt in die neue, fremde Kultur notwendig ist, bewirkt eine Distanz zwischen ihm und seiner Mutter. Die gleiche Information wird in der Zielsprache kommuniziert, aber das expressive Moment, das kulturell-emotionale Erleben geht verloren. Für den Rezipienten suggeriert der Erzähler, dass trotz perfekter Äquivalenz zwischen den zwei Sprachen zwar die Information durchkommt, aber aus der Perspektive der Figuren verschwindet ein wesentlicher Teil der Information, was einen seelischen Abgrund in den Figuren bewirkt und Mutter und Sohn voneinander distanziert.
 

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„Als Kind unter Gleichaltrigen hatte sich Max stets geschämt, wenn seine Mutter auftauchte mit ihrem schwerverständlichen, lächerlichen Englisch. Graseball nannte man solche Leute mit einem mitteleuropäischen Akzent, just off the boat, gerade vom Einwandererschiff gerunter, ein Makel, den Einwanderer zu vertuschen trachteten.“8
 

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Die Distanzierung zwischen Mutter und Sohn geht so weit, dass selbst der Sohn seine Mutter als Außenseiter betrachtet. Grund für die Ausgrenzung ist die sprachliche Differenz, der fremde Akzent. Am fremden Akzent ist der Ausländer sofort erkennbar, was seine Anpassung in die neue Kultur verhindert.
 
1 Anna Mitgutsch: In fremden Städten. DTV: München 1994, S. 22.
2 Ebd., S. 46.
3 Ebd., S. 47ff.
4 Ebd., S. 61.
5 Ebd., S. 67.
6 Ebd., S. 139.
7 Anna Mitgutsch: Haus der Kindheit. Wien 2000, S. 39.
8 Mitgutsch: Haus der Kindheit, S. 62.
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