Kaminer unternimmt zahlreiche Auftritte. Ursprünglich hatten diese Auftritte den Charakter von Autorenlesungen. Aber immer mehr baute der Autor eine lebhafte Kommunikation mit dem Publikum aus und diese Lesungen verwandelten sich allmählich zu Stand-up-Auftritten. Der Unterschied zum richtigen Stand-up besteht darin, dass Kaminer von einem seiner Werke vorliest und es dabei kommentiert. Kaminer fällt es nicht schwer, mit dem Publikum zu kommunizieren; zum Beispiel als er sein Lokal betrieb, trat er dort auch in der Rolle des Entertainers auf. (Das wird im Roman Russendisko auch beschrieben.)

 

 

Die Metapher Babel signalisiert diese Dynamik; natürlich ist es eine Hyperbel, es sorgt aber für fröhliche Stimmung. Die Bezeichnung der Spanier als „falsche Franzosen“ hat auch eine verkehrte Logik, in der Gegenüberstellung von „echten Franzosen“ wirkt sie demgemäß auch sehr amüsant. Dieser Begriff beruht auch auf einer Diskrepanz, d. h. falsch und echt. Es ist nicht üblich, kultureller Zugehörigkeit Falschheit oder Echtheit zuzuschreiben. Die Erzählerdistanz ist deutlich: Der Erzähler behauptet, er übernehme diese Perspektive von seiner Frau. Das Komische erscheint wiederum im Kontrast von ungewohnt/gewohnt, real/irreal. Die Überraschung tritt im letzten Satz auf, die Babelmetaphorik ist pointiert und löst Lachen aus.

 

 

Alle Bewohner sind also dieser Dynamik ausgesetzt und so leben sie nebeneinander. Es entsteht eine komische Welt voller Diskrepanzen, in der die traditionell aufgefasste Normalität verloren geht, das Besondere wird normal – und dennoch ist diese Welt eine banale Welt, weil nur alltägliche Kleinigkeiten hervorgehoben werden, die der Beobachter–Erzähler–Schauspieler–Komiker reflektiert und auf die Widersprüchlichkeiten hinweist. Das wichtigste Element des Humors von Kaminer auf der Bühne kommt noch mehr in den Vordergrund: die Kommunikativität. Er erzählt, kommentiert, lacht und lässt das Publikum lachen, indem er ständig Ausschweifungen macht. Es ist die Umsetzung des auktorialen Erzählens auf der Bühne. In der Literatur des Barock gab es den Schelm im pikaresken Roman, der auf diese distanzierte und lustige Art erzählt. Dieser pikareske Ton ist prägend für Kaminers Erzählweise. Der pikareske Charakter seiner Erzählweise ist in einem Interview zu erkennen: „Ich bin ein Reisender. Ich identifiziere mich nie mit meiner Umgebung.“4 Das ist ein Bekenntnis zum modernen Nomadischen in der Lebensweise und der Ästhetik. Es entsteht eine Multimedialität in der Produktion: das Geschehen im Buch, das Geschehen auf der Bühne und das Geschehen zwischen Bühne und Publikum. Aus dem Wechsel dieser kommunikativen Handlungen schöpft Kaminer und daraus wird ein Event, das Erlebnis und Spaß hervorbringt. Das Feedback jeder Ebenen der Kommunikation ist das Lachen der Rezipienten.